Kleine Geschichte der persönlichen Art

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PyramidLaunchCrew
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Kleine Geschichte der persönlichen Art

Beitrag von PyramidLaunchCrew »

Manchmal treten wir in eine neue Lebensphase ein.
Und wir bemerken nicht was uns erwartet. Wie so oft. Wie meistens...
Wir gehen unseren persönlichen Freuden und Schanden entgegen, die wir ja so gerne überall erkennen, sehen wollen. Empfangen sie mit offenen Armen, pfeifend und guten Mutes.

Diese Lebensphasen definieren sich, werden herauf beschworen - durch Ereignisse, Zeitspannen. Durch Menschen, Erlebnisse, was auch immer. Durch das, was in unserem Kopf nur ist, das genügt bereits.
Oder auch durch das, was wir vor unseren Augen sehen. Sehen wollen. Real oder irreal? Wer könnte das im Nachhinein noch genau sagen?

Das Wesentliche dabei ist, dass wir uns einlassen. Einlassen wollen, weil wir uns angesprochen fühlen. Durch unsere Leidenschaften. Oder durch die Knöpfe, die Menschen und Umstände bei uns drücken – dürfen.
Und so treten wir begeistert ein in ein dunkles Zelt, wissen nicht, was wir dort drin vorfinden werden. Nein, wir wollen es ja gar nicht wissen. Denn wüssten wir es, hätte es bereits seinen Reiz verloren. So treten wir also ein, hinein in das Zirkuszelt.
Pfeifend, die Hände in den Taschen. Wohlgemut. Und wir blicken uns um in der neuen, so fremden, so reizvollen und abenteuerlichen, interessanten, gerne abstoßenden Welt. Adjektive noch und nöcher. Zeugen von Begeisterung. Begeisterung für Bärenfallen.
Und genau deshalb, der noch reizvolleren Umgebung.

Denn - vielleicht können wir ja ein wenig unseres Sternenstaubes verstreuen, ganz ohne dass es jemand gleich bemerkt. Diesen Staub den wir, verborgen in der Tasche, beim ´reinlaufen ins Zirkuszelt, durch unsere Hände gleiten ließen. Pfeifend, in die Höhe schauend.
Gutgelaunt, uns umschauend. Und irgendwann, da ist das Lied dann zu Ende gepfiffen, und auf einmal sind wir selbst überrascht, dass wir schon mitten in der Manege stehen...

Moment, hier ist doch niemand gewesen, gerade eben noch. Draußen stand doch auf dem Schild, die Vorstellung begänne erst heute Abend. Wir wollten doch nur mal eben die würzige Luft der Manege schnuppern. Leicht und unbedarft.
Und mit einem Male bemerken wir, wie uns das Herz schwer wird. Und mit einem Mal ist nichts mehr leicht. So wie vorhin. Erschrecken. Da sitzt jemand! Da sitzen viele. So viele...
Wieso richtet sich das Licht auf mich? Habe ich das Schild am Eingang wirklich richtig gelesen? Einlass: 19.00 Uhr, Vorstellung 19.30 Uhr?!
Wir schauen auf die Uhr, doch...die Zeiger sind verschwunden. Nur noch ein nacktes Ziffernblatt.

Wir verstehen nicht, und der Reflex lässt uns fragend in die Ränge starren, abrupt, von einem zum anderen. Sie starren, sie warten, dass ich die Situation auflöst.

-----------DU-------------ICH--------------WER-------------ALLE---------NIEMAND-------------ICH----

Und sie endlich über die Pointe lachen können. Sie warten, dass ich mich am Trapez empor schwinge, meinen starren Körper erlöse, ihre Überraschung erlöse, und uns alle gemeinsam in Begeisterung ob der Genialität der Überraschung tauche. Eintauche und alle....vergessen lasse.
Doch es geht nicht. Es ist zu spät, denn ich habe zu sehr in mich selbst hinein gehört, war zu sehr eingenommen, als ich meinen Zirkusfilm ablaufen ließ. Wie eine Blaupause des Gestern. Zu viel Sternenstaub gleitet....durch die Finger.
Damals, vor dreißig Jahren, und so gerne und bereitwillig kindlich aufgebauten Lebensturm gerade umstieß, als ich hier hineinging.
Ins Zirkuszelt, Lebenszelt.

Nun...
In Arroganz und Selbstherrlichkeit pfeife ich während ich hinein gehe...

„Wo das Auto Kult ist, da ist der Fahrer Priester“, und doch denke ich nicht an 'Lukas Lessing', sondern...nur an mich.

Während ich deprimiert das Zirkusgelände verlasse, mitten im Regen sich Stille in meinem Geist wieder einstellt, fällt mir 'Wittgenstein' ein...

„Die Kompliziertheit der Philosophie ist nicht die ihrer Materie, sondern die unseres verknoteten Verstandes“.

Als ich dann spätabends in meinem Bett liege, lasse ich den Tag noch einmal Revue passieren. Dabei fallen mir Filme wie „Lola rennt!“ ein, in dem dieses alte, ewig neue Thema Schicksal behandelt wird...'Die nächste Straßenecke...gehe ich links lang....biege ich rechts ab...zwei Möglichkeiten....zwei verschiedene Leben, zwei Konsequenzen...so verschieden...nur ein Moment entscheidet...über alles'.
Danach sehe ich Bilder aus „Heaven“, zwei sich liebende Menschen vergessen ihr Schicksal...die Konsequenz ihres Handelns....nur noch das Empfinden des Moments zählt....Werte verschwimmen....Untergang, Himmel....gleichwertig....zeitig.

Und dann erinnere ich mich an diese unglaubliche Aussage von Tom Tykwer, die mich niemals mehr los ließ, weil sie sich deckte. In Realität, im Traum, im Glaube, im Ahnen...Wissen...

„Ich glaube an diese unentwirrbare Verstrickung von Schicksal und 'Zu-Fall'. Es gibt, so glaube ich, keine schicksalhafte Situation, die nicht aus einem „Zu-Fall“ heraus geboren wurde. Und der „Zu-Fall“ wäre wertlos, wenn er nicht in Kontext von Schicksal beschrieben würde. Denn nur dann bekommt er eine Wertigkeit“.

Tykwer´s Gedanken beruhigen mich, und langsam kann ich loslassen...Das Zirkuszelt, den Zufall, das...Leben.

Und ein tiefer Traum der Welt ereilte mich schließlich....und diese Worte waren meine eigenen, ich sah sie, ich sah mich selbst, stand meinem eigenen Antlitz gegenüber.
Mitten in meinem Traum, forderte mich selbst auf, sie auszusprechen....mitten in meinem luziden Traum....
Und ich, er, Du, wir hören...zu einer Zeit...

„Nicht alle Augen sehen das Selbe, und die Schöpfung hat nicht für alle ihre Betrachter die selbe Gestalt und Farbe. Unser Gehirn ist ein von innen und außen bedrucktes Buch, und die erregte Aufmerksamkeit verwischt schon die Schrift. Unaufhörlich geschieht dies, in Trunkenheit und Wahnsinn. Dann beherrscht der Traum die Wirklichkeit. Und die Vernunft verfällt unheilbarem Schlaf. Der Zustand der Halluzination hat Stufen, jede Leidenschaft ist Rausch. Jede Begeisterung relativ und allmählich gesteigerter Wahnsinn...“

Roland Förster
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Re: Kleine Geschichte der persönlichen Art

Beitrag von Roland Förster »

*


Gefangen im Netz deines Lebens?

Gerade dort, wo du sie als nicht mehr zumutbare Last verspürst,
sie nicht mehr länger in und um dich wissen willst,
diese scheinar ungeheuerliche Beengung deines Ichs.

Gerade dort, wo du gefangen bist,
in diesem engmaschigen Netz
all deiner Verstrickung und Verwicklung.
Verheddert in Beklemmung und Verhinderung.

Gerade dort beginnt dein Seelencircus,
mit all seiner Magie und seinem atemlos schönen Zauber,
mit dir empor zu steigen in jene Farben und Musik,
die dich auf ewig berühren und erfüllen.

Gerade dann beginnst du sie doch erst wirklich zu begreifen,
die grenzenlose Schönheit deines Seins.

Deine Geburt. Dein Wachstum. All dein Sterben.

Wie schön, wie schön das ist.
Oh Ikarus.


*
Gewidmet Robert Schrem
Inspiriert durch Dich Robert und.....:

Varekai Flight Icarus,Aerial Contortion Net,Cirque du Soleil
http://www.youtube.com/watch?v=vA5-Ci8V ... re=related

*
Zuletzt geändert von Roland Förster am Mo 25. Apr 2011, 10:16, insgesamt 8-mal geändert.

Roland Förster
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Re: Kleine Geschichte der persönlichen Art

Beitrag von Roland Förster »

*

Gemeinsamer Auftritt

Und auf einmal da findest du jene Menschen im Circus Zelt deines Lebens,
mit welchen du kein Netz, keinen doppelten Boden mehr benötigst.

Und du begibst dich mit ihnen gemeinsam hinauf
auf das Trapez eurer Tapferkeit.

Welch ein Vertrauen. Wieviel Harmonie.
Jede(r) für sich, - und doch alle gemeinsam.
So viel an Kraft.

Gewagte Höhen sind sogleich überwunden.
Den klaren Blick für Tiefe gewinnend
zeigt ihr anmutige Bewegung, nicht Stillstand.

Schönheit kennt keine Grenzen. Ist fließend.
Erschafft sich stets frei in Raum und Zeit.

Unendlichkeit in euren Herzen.
Beflügelt Seelen.
Erhebt Geist und Körper.

Welche Grazie.
Eure farbenfrohen Lichter
in der Dunkelheit.

*

Gewidmet: Robert Schrem
Inspiriert durch Dich Robert und.......:

Varekai Triple Trapeze, Cirque du Soleil
http://www.youtube.com/watch?v=R9LeviW3 ... re=related

*
Zuletzt geändert von Roland Förster am Mo 25. Apr 2011, 10:16, insgesamt 3-mal geändert.

PyramidLaunchCrew
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Re: Kleine Geschichte der persönlichen Art

Beitrag von PyramidLaunchCrew »

-Der Himmel beginnt dort, wo Menschen füreinander da sind.-

Vielen Dank, lieber Roland.
Dafür, dass Du mich an die Hand nimmst, wenn ich auf den höchsten Brücken stehenbleibe und schwindelig in die Tiefe schaue.
Dafür, dass Du mit den Fingern vor meinen Augen schnippst, wenn ich ein Nickerchen machen will, in der Hängematte des Pathos. :idea:
Dafür, dass Du Spiegel bist, dafür dass Du Begleiter bist.

-Liebe pflanzt Bäume in der Arena der Einsamkeit.-
Robert

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