Die Dauergäste und der gute Geist. Autor Dieter Gropp

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Diegro
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Registriert: So 19. Dez 2010, 19:23

Die Dauergäste und der gute Geist. Autor Dieter Gropp

Beitrag von Diegro »

Die Dauergäste und der gute Geist.

Ein früher Morgen war es, so wie jeder andere.
Die eben noch rotgoldene Sonne hatte sich mühselig aus dem zähen Herbstnebel herausgequält und schickte sich nun an, die letzten Winkel des Aischgrundes hier vor den Toren von Höchstadt mit ihrem hellen Strahlenschein zu überfluten.
So wie die Grashalme auf der Wiese vor meinem Haus versuchte auch ich, kaum aus dem Bett gestiegen, mich zu recken und zu strecken. Viel fehlte nicht mehr, dann hätte ich fast mit meinen Fingerspitzen die Zimmerdecke erreicht.
Nun noch den Nacken locker machen – Kopf nach links …und links …und links - Kopf nach rechts….und rechts…und rechts…
Doch was war denn das?
Überrascht hielt ich inne!
Draußen vor dem Haus, auf der Straßenlaterne, stand ein Storch auf einem Bein und putzte sich ganz gemütlich sein Gefieder, so, als wäre es das Normalste auf der Welt: auf einer Straßenlaterne zu sitzen und sich zu putzen
Dies alles geschah so ruhig und so gemächlich, als würden unter ihm auf der Asphalt-Strasse überhaupt keine Autos fahren, als würde im Gewerbegrundstück auf der anderen Straßenseite überhaupt nicht mit lauten Zurufen ein schwer beladener LKW mit Hänger Meter für Meter zur Laderampe dirigiert…
Ich konnte meinen Blick nicht von der Laterne losreißen.
Unwillkürlich nickte ich dem Adebar zu und hörte mich überrascht ein belustigtes „Guten Morgen, Herr Storch!“ sagen.
Noch überraschter allerdings war ich, als er munter klappernd meinen Gruß erwiderte.
Doch was war denn das? Auch er klapperte mir ein deutlich wahrnehmbares „Na, schon ausgeschlafen?“entgegen. Ich hatte mich nicht getäuscht, die Worte waren deutlich zu verstehen...
Und dann kam ein fröhliches „Ich bin der Gerome, der vom alten Rathaus“ aus seinem Schnabel geklappert, etwas heißer zwar, aber recht gut zu verstehen.
„Der Gerome?“, antwortete ich verdutzt, „und - wo hast du deine Anna gelassen?“
„Na, auf der Wiese dort drüben, Frösche suchen!“.
Anna und Gerome, zwei unserer Dauergäste in der Stadt - und heute so nahe an unserem Wohnhaus und auch noch mit menschlicher Stimme? Es war kaum zu fassen…!
Vor einiger Zeit saß der Storch schon einmal auf dem Dach unseres Hauses. Damals hatte ich ihn fotografiert und das sogar in einer sehr ungewöhnlichen Situation…
Der Dachabschluss unseres Hauses, nahe am Hausgiebel zur Wiese und zu den Weihern hin, zierte als Blitzschutz oder was weiß ich aus welchen Grund, ein tönerner Hahn. Und eben mit diesem „roten Hahn“ sah ich den Storch ganz munter flirten.
Ob die Anna allerdings von dem Ganzen Notiz genommen hatte und vielleicht sogar eifersüchtig mit ihren gespreizten Flügeln drohte, konnte ich nicht beobachten.
Meine ganze Aufmerksamkeit galt jetzt dem Storchenmann!
Und dann besann ich mich…
Den Weg hoch ins Dachgeschoss, wo wir wohnen, schaffte ich in rekordverdächtiger Bestzeit, riss mir den Fotoapparat samt Tasche vom Haken und war eben so schnell wieder unten auf der Straße.
Der Storch klapperte dem Keramik-Hahn immer noch seine tiefe Zuneigung unter den stolzen Kamm. Mein Foto, welches diese lustige Situation dokumentiert hat, zeigten einige regionale Zeitungen in ihren Ausgaben sogar den Lesern… Der Storchenflirt hatte schon einiges Aufsehen erregt. Seither kann ich Anna und Gerome oft in den Wiesen zwischen unserem Haus und den Weihern beobachten. Unser Landschaftsbiotop scheint den Störchen wie eine Wohlfühloase zu sein.
Ich nahm die Verständigung mit dem Gerome drüben auf der Laterne wieder auf.
„Na Gerome, euch beiden scheint es ja hier bei uns im Schwarzenbacher Ring recht gut zu gefallen?!
„Und ob,“ antwortete dieser, „und nicht nur im Schwarzenbacher Ring. Zu fressen finden wir hier im Aischgrund immer etwas!“
„Etwa auch Karpfen?“ fragte ich naiv.
„Igitt! Die überlassen wir dem Kormoran! Wir lassen uns doch nicht abschießen, Uns liegt noch etwas an unserem Leben! Der Eddi, unser Storchenvater, sorgt außerdem dafür, das in den Wiesen kleine Tümpel angelegt werden mit Fischen für uns und auch mit Fischabfällen.“
Der Storchenmann schaute mich mit schief gehaltenem Hals an.
„Außerdem sind Frösche unsere Delikatessen und die holen wir uns höchstens vom Weiherrand, vor allem aber von der Wiese. In den Weiher selbst gehen wir höchstens mal, wenn er abgefischt worden ist und die Würmer aus dem Sumpfboden kriechen! Die schmecken auch ganz lecker“.
Ich fügte hinzu: „Und außerdem ist ja der Karpfen beinahe schon unser Wappentier! Der „Fridolin“ vom Karpfenkreisel würde Euch schon etwas erzählen, wenn ihr seinen lebendigen Artgenossen etwas antun würdet. Und schließlich leben viele Leute hier von der Karpfenzucht!“
Na einer kurzen Denkpause fügte ich hinzu: „Und der Landrat erst – schließlich ist er so eine Art Schirmherr für die Karpfen. Auf jeden Fall lässt er sich zur Saisoneröffnung kein Karpfenessen entgehen, egal, ob im „Weberskeller“ oder im "Aischblick".
Während sich der Storch weiter putzte, trat erneut eine Pause ein. Dann nahm ich meine neugierigen Fragen wieder auf.
„Und im Winter wenn hier mal richtig viel Schnee liegt?“
„Na, wann kommt das denn schon mal vor?“, klapperte der Storch.
„In den letzten beiden Wintern haben wir hier ganz schön viel Schnee geschippt,“ erwiderte ich und dachte an die Schneeberge, die sich am Straßenrand getürmt hatten.
„Alles halb so schlimm“, Gerome ließ seine beiden Flügel fast lässig durch die Luft gleiten, „für diesen Fall gibt es ja auch noch den Storchenvater, Der kümmert sich schon um uns!“
„Natürlich, der Storchenvater!“ Den rührigen Höchstadter mit diesem frühlingshaften Namen hätte ich beinahe vergessen. Der „Lenz“ hilft den Störchen im Winter – das Bild gefiel mir!
„Der Eddi kümmert sich schon um uns!“ Der Storch nicke ganz wichtig mit seinem Kopf und der Schnabel vollführte eine unterstreichende Kreisbewegung.
„Ob der Regen unseren Horst überflutet und die Jungen fast ertrinken, ob wir frieren, wenn es so richtig kalt ist – der Eddi ruft dann schnell die Feuerwehr- Drehleiter, klettert hoch zu unserem Nest in schwindelnder Höhe und legt uns wieder trocken – der Horst wird mit frischen Heu und Stroh ausgelegt“; ver-kündete anerkennend der Storch. „Sogar die Leute von der Sparkasse rücken zusammen, wenn unsere Federn am Nest anzufrieren drohen, und helfen uns wenn notwendig mit einem warmen Quartier!“
Ich verfiel in ehrfurchtsvolles Schweigen.
„Und dann solltest du mal Eddi`s Hausgarage sehen – die gleicht oft einer ´Storchenaufzucht-Station´“! Hier wird unser Storchennachwuchs regelrecht aufgepäppelt.“ fügte Gerome hinzu.
Seit ich selbst den Storchen-Lenz und seine Störche kenne, zumindest die in unserer Stadt, denn er betreut ja noch viele in der weiteren Umgebung, habe ich mein großes Interesse für die Störche entdeckt.
Wenn sie sich hier, in der Nähe unseres Hauses aufhalten, fahre ich meinen Telezoom bis zum äußerste Anschlag heraus und versuche, die Prägung auf der „Fuß-Banderole“ der Störche festzuhalten und sie an den Storchenvater weiterzugeben. So lassen sich die Aufenthaltsorte noch besser nachverfolgen und schließlich sind ja „Straßenlaternenschläfer“ und „Keramik-Hahnflirter“ nichts Alltägliches.
Nicht selten denke ich dann dabei an den Storchen-Lenz und wie er verletzte Störche wieder gesund macht, sie füttert und im Winter draußen zusätzliche Futterstellen anlegt. Solch eine unentgeltliche Tätigkeit gelingt nur, wenn das mit viel „Herzblut“ geschieht.
Deshalb sollte man über der Garage von Edmund Lenz unbedingt ein großes Schild anbringen, auf dem weithin sichtbar zu lesen ist:
STORCHEN-HOTEL LENZ.
Mir jedenfalls ist mit unseren Störchen meine jetzige Heimat noch weiter ans Herz gewachsen und ich verstehe von Tag zu Tag besser das Attribut für unser Höchstadt a.d.Aisch als die „begnadeten Region“…


12. Januar 2013

(gelesen für Edmund Lenz zum Neujahresempfang des Bürgermeisters) © lyrikdgr

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