Herznarben, Florian Albrecht

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1. Sinnbringerbuch
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Registriert: Do 6. Jun 2013, 17:36

Herznarben, Florian Albrecht

Beitrag von 1. Sinnbringerbuch »

Herznarben

Stillstand.
Letzte Fetzen eines sturmzerfegten Herzens wehen im Wind.
Die Glut meiner Zigarette ist das einzige Licht in der Dunkelheit. Noch immer habe ich den Sinn einer Mauer um einen Friedhof nicht verstanden. Tote einzusperren?

Weiterer Stillstand.
Die einzige Bewegung ist das kürzer werden meiner Zigarette und das unsichtbare Licht der Sterne.
Die Gedanken rasen in meinem Kopf. Gedankenautobahn ohne Tempolimit. Nur schnelle Autos, nur Bewegung, nur Hetze. Ohne Ziel, ohne Finden des Sinns.
Links und rechts liegen die rauchenden Trümmer verunfallten Denkens. Spontanes sprießen von ungewollten Empfindungen. Rausgecrasht weil unpassend, oder zu verlangsamend auf der Schnellstraße des Denkens und Gedenkens.
Schnell, schnell immer weiter immer weiter ohne Ziel.

Während der Nachtwind mich auskühlt, erhitzt sich mein Kopf.
Die Toten schweigen. Der Wind flüstert einsam.
Gräber zeigen beendete Leben, Grabsteine etikettieren die Toten.
Zerbrochen, Maden zerfressen und irgendwann selber zu Erde werdend. Wartend auf die Rückführung ins Leben. Noch mehr Warten, noch mehr Stillstand.
Worin liegt die Hoffnung des Sterbens, worin der Sinn und die Haftigkeit des Lebens? Wer haftet für ein Leben. Wer haftet sein Leben? Hoffen wir auf den Tod und die nachfolgende Erlösung?

Wenn es vorbei ist, dann ist es auch endgültig.
So im Leben, wie auch in der Liebe. Wobei das Ende des Lebens einfacher ist, als das Ende einer Liebe.

Man stelle sich ein rotes Cabrio auf der Gedankenstraße vor. Ein flitzender Schein zwischen grauen Gedanken. Alles mit Farbe infizierend. Farbexplosionen, Enthusiasmus und dann der Spritzer Verrücktheit, der sich tief im Hirnstamm einnistet.
Und dann? Dann ein Unfall. Das Cabrio ist nur noch rauchende Trümmer Hinterlassene Farbtupfer.
Die Verrücktheit wird Schmerz. Du spürst die neuen Narben um dein Herz.

Die Zigarettenschachtel ist alle.
Ich setzte mich auf eine Bank, versuche meinen brüllenden Schädel zu beruhigen, die surrenden Gedanken zu entschleunigen. Starre auf einen Grabstein der Mondbeleuchtet in der Dunkelheit funkelt. Irgendwelche Menschen liegen hier begraben. Nie gekannt, anonym und trotzdem schreien dich ihre Namen an. Namen, die du morgen schon wieder vergessen hast, aber das was du eigentlich vergessen willst, das hämmert dir jeden Tag, mit einem Presslufthammer, auf deine Sinne ein ein. Peitscht dich sogar soweit, dass du dir wünscht ein frisch verliebtes Pärchen zu verprügeln. Ihnen deine Erfahrungen, deinen Schmerz mit der Faust einzuhämmern, nur damit der Vergewaltiger deiner Nerven endlich Ruhe gibt.

Doch du lässt es, weil dich die Erinnerungen an glückliche Zeiten quälen und du fühlst dich gegeißelt genug.
That’s the Life und du hast keine Chance zu entkommen. Nimm hin, friss es und stirb. Tod ist Erlösung und die Liebe ist die Folter dazu.
Um mich herum Stillstand. Stilles Leben, atemlos und traurig. Verlebt, zerfallen und verweht.

Wahre Schönheit entfaltet ein Friedhof nur bei Nacht. Es ist hier ruhig und wunderschön. Ein dunkler Platz um düsteren Gedanken nachzugehen.
Ich lege mich auf die Bank, auf der ich sitze, strecke mich aus und starre in den Unendlichen, von Sternen zerfetzten, Himmel.
Irgendwo auf dieser Welt bist du, allein oder mit jemand Neuem. Ist mir egal.
Die Narben an meinem Herzen sind tief und bluten nur langsam aus.
Liebe ist wie eine Schreckgestalt in schönem Gewand.
Eine Droge, die dich nach gemeinsamer Einnahme glücklich werden lässt, aber sobald ein Teil geht, ein wütender Teufel ist, der in deinen Adern wütet und sie ausbrennt.

Ich habe den Entzug nicht überstanden und während ich auf der kalten Bank langsam einschlafe, weiß ich, dass ich morgen tot sein werde. Ein ungezähltes Drogenopfer der Liebe.

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