Freiheit, Bild&Text Roland Förster

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Roland Förster
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Registriert: Mo 2. Aug 2010, 14:58

Freiheit, Bild&Text Roland Förster

Beitrag von Roland Förster »

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Freiheit

Begleiten Sie mich!

Es ist einer der ersten sonnigen Frühlingsabende und ich genieße
die untergehende Sonne und die angenehm erfrischende Luft
für einen Spaziergang im Wald.

Etwas verwundert entdecke ich eine meiner jugendlichen Nachbarinnen
mit gesenktem Kopf auf einer Bank am Waldrand sitzend.
Ihr Gesicht ist errötet und leise Tränen verlaufen sich auf Ihren Wangen.
Ihre Haltung ist gebeugt vor Kummer und Ihr Herz ist schwer beladen
von dem Gewicht ihrer Selbstvorwürfe.
Während ich stehenbleibe sehe ich, hoch oben,
an einem der Bäume einen leeren Käfig hängen.
Die Türe des Käfigs steht weit offen.
Der Vogel, ein Sittich, sitzt drei Bäume entfernt auf einem Ast.
Nur allzu gut kenne ich den Schmerz des jungen Mädchens
und finde diese bereits selbst erfahrene Situation in meinen eigenen
Erinnerungen wieder.
Doch trotz meines tiefen Mitgefühls für das Mädchen und für den Vogel,
muss ich über die „IRONIE DES LEBENS“ und des mir jetzt dargebotenen Bildes
innerlich lächeln.

Da sitzt sie auf das eine Wunder hoffend, dass das ihr
entflogenes Tier in den am Baum befestigten,
goldfarbenen Käfig zurückkehren möge.
Doch dieser macht natürlich keinerlei Anstalten diesbezüglich.
Sie weiß, dass ihr Vogel in Freiheit verhungern wird, falls nicht andere Vögel,
Marder oder ähnliche Raubtiere Ihn vorher töten.
Dass der kurze Augenblick Ihrer Unachtsamkeit sein Todesurteil bedeutet.
Die Vollstreckung des Urteils ist zwar noch etwas aufgeschoben,
doch wird sie ihn nicht mehr einfangen, - unumgänglich.
Und sie wünscht sich zurück in den Moment bevor Ihr der Vogel entglitt.
Was würde sie dafür geben?!
Dort, - hoch oben sitzt er.
Jeder Versuch sich ihm zu nähern würde ihn sofort verjagen.

Da auch ich Ihr jetzt, was das Einfangen des Vogels betrifft,
nicht wirklich zu helfen weiß, nehme ich sie einfach kurzerhand
zum Trost in meine Arme. Sie weint fortwährend.
Kurz bevor es dunkel ist, fliegt der Vogel plötzlich tiefer in den Wald,
- und vereitelt somit die letzte Möglichkeit ihn in der Dunkelheit
mit den Händen oder einem Kescher zu greifen.
Er ist wohl nun endgültig fort. Ich begleite sie nach Hause.
Wie sie wohl diese Nacht verbringen wird? Sicher wird sie kaum schlafen.

Einige Tage später, als ich sie wiedertreffe, erzähle ich Ihr
von meinem eigenen Erlebnis mit meinem entflogenen Vogel
vor einigen Jahren. - Von meinem Schmerz und meiner Trauer seinerzeit.

Ich borge ihr spontan und ohne weitere Erläuterungen ein Buch
über eine berühmte Möwe zum Lesen.

*Die Möwe Jonathan*
Der Roman des US-amerikanischen Schriftstellers Richard Bach,
aus dem Jahr 1970 ist ein Bestseller. Er beinhaltet Themenbereiche
wie Selbstvertrauen, Selbstverwirklichung, Entwicklung,
den Weg zur Erkenntnis, den Kampf im ständigen Lernen,
und letztendlich die „grenzenlose Freiheit.“


Meine eigenen Gedanken über „Vögel, Tiere und Menschen,
die sich in „Käfigen“befinden schenke ich Ihr, frisch auf Papier gebracht,
noch dazu. Ich hatte in der Nacht des Vorfalles selbst kaum geschlafen.
Denn auch ich selbst, - war erst vor kurzem durch eine offene Tür
aus meiner äußeren und inneren Gefangenschaft, in meine Freiheit geflogen.

Vom Leben als Vogel im Käfig,
- oder der mutigen Wahl für das Leben und den Tod in Freiheit


Nur im Augenblick wundervoller „Schwäche“ kann es geschehen.
Denn Schwäche bedingt Stärke und umgekehrt.
Urplötzlich steht dir eine Tür nur einen Spalt geöffnet offenbar.
Nur ein paar Flügelschläge trennen dich von deinem Weg in eine andere, neue Welt.
Wie sieht sie aus? Wie hoch ist wohl Ihr Preis?
Jetzt oder nie, - sonst wirst du es nicht erfahren.
Du verlierst alle Sicherheit des goldenen Käfigs.
Ist es aber nicht doch bequemer so wie bisher zu leben?
Alle Verantwortung tragen die Anderen.
Geregelt scheint der Alltag.
Und doch spürst du tief in deinem Herzen, das es dort, jenseits der Türöffnung etwas
Großes, Echtes, Reines gibt.
Ist es das, was dir so sehr fehlt?
Noch besitzt du und bist Besitz.
Sprenge deine Ketten des stumpfen Konsums.
Reduziere auf das Wesentliche.
Traue dir und deiner Bestimmung.
Trage deine Entscheidung, - und dein Schicksal trägt dich.
Erkenne dies und fliege los.
Lebe und sterbe in Freiheit.


Eine Woche später gab sie mir das Buch ebenfalls ohne größeren Kommentar zurück.
Sie hätte es gelesen sagte sie nur kurz und knapp, - und es hätte Ihr gefallen.
Meine eigenen schriftlichen Gedanken behielt sie ohne noch ein Wort darüber zu verlieren.
Etwa vier Wochen danach kaufte Sie einen neuen Vogel und sperrte diesen
in den noch vorhandenen, leeren, goldfarbenen Käfig.

Freudestrahlend lief sie mir über den Weg um mir davon zu berichten.

„Dieses Mal werde ich ganz bestimmt besser achtgeben! „
sagte sie voller Zuversicht.


Ich selbst beschloss für mich niemals mehr einen Vogel in Gefangenschaft
zu halten. Einen Vogel, der das Symbol des „freien Fluges“ für mich darstellt.
Das Sinnbild von Freiheit, Losgelöstheit und Unabhängigkeit.
– Natürlich auch meiner Eigenen.



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